Jemandem reinen Wein einschenken“, heißt es im Volksmund und meint, dass man unverhohlen den wahren Sachstand vermittelt, also ohne Ausflüchte die Wahrheit sagt. Die Redewendung muss zu einer Zeit entstanden sein, bevor Reblaus und Peronospora den Weinreben in Europa zusetzten. Fakt ist, dass heute – insbesondere in Mitteleuropa – bei kaum einer Kulturpflanze so intensiv Fungizide und Herbizide eingesetzt werden wie im Weinberg.
Der Gifteintrag ist dabei enorm: Beispielsweise gehen rund 60 Prozent des Fungizidverbrauchs in der europäischen Landwirtschaft, knapp 90 000 Tonnen Pilzbekämpfungsmittel, auf das Konto des Weinbaus – der gerade einmal fünf Prozent der Anbaufläche ausmacht! In einer breit angelegten Studie hat das Julius-Kühn-Bundesforschungsinstitut festgestellt, das deutsche Winzer in einer Wachstumsperiode bis zu 17-mal Pestizide spritzen.
Ebenfalls wurde festgestellt, dass Agrarchemie und Monokulturen Insekten, Amphibien oder Vögel vergiften oder weitgehend vergrätzen. In der Europäischen Union ist bei 42 Prozent der Tier- und Pflanzenarten die Populationsgröße im vergangenen Jahrzehnt deutlich zurückgegangen, schreiben Volker Angres und Claus-Peter Hutter in ihrem Buch „Das Verstummen der Natur“.
Stabile Ökosysteme als Zielsetzung im Bio-Weinbau
Dass es auch anders geht, zeigen die Winzer, deren Weine Europas größter Bioweinhändler, Delinat, anbietet. Bereits Anfang der 80er Jahre hat der Biowein-Pionier aus dem schweizerischen St. Gallen die ersten Richtlinien für den Anbau von Bioweinen aufgestellt. Das kontinuierlich fortentwickelte Regelwerk nennt die Maßnahmen, um die Reben auf natürliche Weise gesünder und widerstandsfähiger zu machen. Das Kernelement ist die gezielte Förderung einer reichen Biodiversität.
Der Weinberg wird als Ökosystem betrachtet, dessen Gleichgewicht durch die Vernetzung der biologischen Vielfalt entsteht. Die Weinberge werden zu stabilen Ökosystemen mit Wildhecken, Sekundärkulturen wie Gemüse, Aromakräutern sowie standortgerechten Laub- und Obstbäumen. Chemisch-synthetische Spritz- und Düngemittel sind bei Delinat-Winzern ausdrücklich verboten, der Einsatz von im Bioweinbau erlaubten Kupfer- und Schwefel-Präparaten stärker eingeschränkt als bei allen anderen Labels.
Delinat-Winzerberater Daniel Wyss betont: „Wer immer wieder mit chemisch-synthetischen Pestiziden und Kunstdünger das Bodenleben und die Balance der Natur zerstört, braucht sich nicht zu wundern, wenn die Reben zunehmend krankheitsanfälliger, die Böden unfruchtbar werden und erodieren.“ Wie Weinbau im Einklang mit der Natur funktioniert zeigt Alexander Pflüger, Delinat-Winzer in der zweiten Generation in der Pfalz.
Pflüger verfolgt auf seinem Betrieb das Ziel des lebendigen, artenreichen Weinbergs. Der 42-jährige Önologe übernahm das 40 Hektar große Weingut 2010 von seinem Vater, der bereits um die Jahrtausendwende als einer der ersten Winzer der Pfalz auf ökologischen Weinanbau setzte. Angespornt von Delinat hat Pflüger in den letzten Jahren nochmals stark in die Biodiversität investiert.
Zwischen den Sandsteinmauern wachsen Feigenbäume und Zypressen, in und um die Reben stehen Hecken und Wildkräuter, Schädlinge bekämpft er unter anderem mit Gesteinsmehl und Pflanzenextrakten. „Unsere Reben haben über all die Jahre eine hohe Widerstandsfähigkeit aufgebaut und die Weinqualität hat merklich davon profitiert“, erklärt Pflüger.

Wenn die Natur trotz Bewirtschaftung lebt / © delinat.com
Widerstandsfähige Sorten statt chemische Keule
Auch Winzer Timo Dienhart vom Weingut zur Römerkelter betreibt an der Mosel Bioweinbau nach der Delinat-Methode. Doch bietet Dienhart neben den klassischen Riesling- und Pinot- Noir-Weinen auch Cuvées mit neuen Sorten wie Cabernet Blanc oder Sauvignac an. Diese beiden Sorten gehören zu den sogenannten PIWI-Sorten, die besonders widerstandsfähig gegen Pilzbefall (Echter und Falscher Mehltau) sind und auch mit der zunehmenden Trockenheit besser zurecht kommen.
„Angesichts der immer schwierigeren Anbaubedingungen gehört diesen Sorten die Zukunft“, prognostiziert Michel Fink, CEO bei Delinat, „denn für diese Reben ist kaum noch Pflanzenschutz notwendig. Deshalb fordern und fördern unsere Richtlinien den Anbau dieser neuen Sorten.“ Kein einfaches Unterfangen, denn in einigen Ländern Europas ist der Anbau von PIWIs nach wie vor verboten.
„Eigentlich ein schlechter Witz, dass die ökologischste Form des Weinanbaus in Ländern wie Spanien derzeit nur mit Sonderbewilligung möglich ist,“ ergänzt Fink, „aber das wird sich ändern müssen, denn die Ziele des soeben verabschiedeten EU-Umweltschutzgesetzes sind nur mit Hilfe dieser neuen Sorten zu erreichen.“ Denn danach soll der Pestizideinsatz in der Landwirtschaft bis 2030 um 50 % reduziert werden.
Doch die Züchtung neuer Sorten ist sehr aufwändig. Schon seit den 90er Jahren werden in einem Sortengarten auf dem Delinat-Versuchsweingut Château Duvivier in Südfrankreich zahlreiche krankheitsresistente Sorten getestet. In den letzten Jahren wurde die Forschung in enger Zusammenarbeit mit dem Schweizer PIWI-Pionier Valentin Blattner intensiviert.
Von ihm stammen einige der bekanntesten Sorten, darunter Cabernet Jura, Cabernet Blanc, Sauvignac oder Solaris. Es kommen ständig neue Züchtungen hinzu, aber es dauert bis zu 15 Jahre, bis sichergestellt ist, dass eine neue Sorte allen Anforderungen hinsichtlich Widerstandsfähigkeit, Ertragssicherheit und Geschmack genügt.
„Die ersten PIWI-Weine konnten geschmacklich noch nicht wirklich überzeugen“, erinnert sich Michel Fink, „aber das hat sich grundlegend geändert: Es gibt längst herausragende PIWI-Weine, die es in einer Blindverkostung locker mit etablierten europäischen Sorten aufnehmen können.“
Herausragende PIWI-Sorten
Das zeigt sich beispielsweise beim Delinat-Weingut von Roland und Karin Lenz im schweizerischen Iselisberg, auf dem seit Jahren mit großem Erfolg ausschließlich diese neuen Sorten gekeltert werden und die gemeinsam mit Delinat die erfolgreiche Markenlinie Koo Kuu lanciert haben.
Oder in Spanien, wo der Katalane Josep Maria Albet i Noya, seit über 35 Jahren Delinat-Winzer, zusammen mit Valentin Blattner ein vielversprechendes PIWI-Projekt gestartet hat, dessen erste Weine eindrücklich das Potenzial der neuen Traubensorten zeigen. „Die Weine haben eine unglaubliche stilistische Vielfalt,“ urteilt Delinat-CEO Michel Fink, „vom dezent restsüßen Easy-Drinking-Wein bis zum gehaltvollen Essensbegleiter können PIWIs heute praktisch die gesamte Bandbreite der Konsumbedürfnisse abdecken.“
Quelle / Fotos: delinat.com