Zukunftsexperte sieht den Begriff „Zeitenwende“ kritisch

“Zeitenwenden entstehen nicht dadurch, dass man sie ausruft. Erst in 50 Jahren wird man entscheiden können, ob diese Wochen und Monate dem Begriff Zeitenwende genügen”. Mit diesen Worten hat der Zukunftsanalytiker und Historiker Dr. Klaus-Ulrich Moeller aktuell davor gewarnt, den von der Bundesregierung im Frühjahr geprägten Begriff unkritisch zu übernehmen.

In einem Fachartikel erläutert Moeller, dass Zeitenwenden sich über lange Jahre, meist Jahrzehnte erstreckt haben und mehr sind als eine “Kehrtwende” bei politischen Entscheidungen oder Verschiebungen in der Geopolitik dieser Tage. Auch die Häufung krisenhafter Ereignisse wie in diesen Monaten begründe keineswegs eine Zeitenwende.

“Die Zeitenwende setzt eine tiefgreifende, nachhaltige Veränderung der Lebensumstände der Menschen voraus. Diese kann durch Erfindungen (Buchdruck, Elektrizität) ebenso hervorgerufen werden wie durch Wertewandel, das Absterben oder Auftauchen von Religionen oder neuen Weltanschauungen”.

Historiker Dr. Klaus-Ulrich Moeller

Zukunftsanalytiker & Historiker Dr. Klaus-Ulrich Moeller / © cc Moeller

Mmit den großen Zeitenwenden ist die heutige Situation nicht zu vergleichen

Die Erfindung des iPhones im Jahr 2007 jedenfalls sei eher als Zeitenwende zu verstehen als der Stopp von Gaslieferungen aus Russland oder der Krieg in der Ukraine. Und mit den großen Zeitenwenden der Klassik, Gotik, Romantik, Renaissance oder Aufklärung sei die heutige Situation sowieso nicht zu vergleichen.

Als Zukunftsexperte sehe er, schreibt Moeller, eher die Gefahr, dass der Begriff als Legitimation für weitreichende politische Entscheidungen missbraucht werden kann: “Noch mehr Staat, Steuern, Schulden, Verbote, Bürokratie, Überwachung bis hin zur kleinteiligen Verhaltensteuerung des Bürgers.”

“Insofern”, so Moeller, “handelt es sich bei der Verwendung des Begriffs heute um politische PR, nicht aber um eine historische Einordnung – wie es dem Bürger aber oft suggeriert werde. Deshalb plädiert Moeller für einen konsequenten Verzicht auf den Begriff der ”Zeitenwende“ im politischen und gesellschaftlichen Diskurs.

Quelle / Fotos: top-global-speaking.com

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